Ortsgemeinde Niederzissen

Geschrieben am 9. Dezember 2019

INFOVERANSTALTUNG ZU STRASSENAUSBAUBEITRÄGEN

Sollen in Niederzissen wiederkehrende Straßenausbaubeiträge (WKB) eingeführt werden? Diese Frage bewegt die Bürger der Brohltalgemeinde, nachdem die SPD-Fraktion im Gemeinderat vor wenigen Monaten einen entsprechenden Antrag eingebracht hatte. Bisher werden in Niederzissen bei Straßenbaumaßnahmen Einmalbeiträge erhoben, bei denen nur die Anlieger der betroffenen Straßen zahlungspflichtig sind.

Beim WKB werden hingegen die Anwohner des gesamten Straßennetzes in einer Abrechnungseinheit herangezogen.

„Zu einem solch komplexen Thema sollten wir uns eine juristische Beratung ins Haus holen“, hatte Ortsbürgermeister Rolf Hans seinerzeit im Gemeinderat vorgeschlagen. Prädestiniert dafür ist in Rheinland-Pfalz Dr. Gerd Thielmann, der als Rechtanwalt für Beitragsrecht beim Gemeinde- und Städtebund tätig ist. Unter dem Titel „Der wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag in Rheinland-Pfalz“ hat er auch ein Buch veröffentlicht.

In der Bausenberghalle gelang es dem Referenten, in einem rund zweistündigen Vortrag mehr als 100 Zuhörer umfassend über die in Rheinland-Pfalz gängige Praxis bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu informieren. Im Auditorium saßen neben interessierten Bürgern auch zahlreiche Mandatsträger und Verwaltungsvertreter mit VG-Bürgermeister Johannes Bell an der Spitze. Thielmann stellte ihnen die Systematik der Beitragserhebung vor, zeigte mögliche Vorgehensweisen bei der Einführung des WKB auf, wägte Vor- und Nachteile beider Systeme ab und untermauerte das alles mit Beispielen in Wort und Bild.

Eines stellte er zu Beginn klar: „Mir persönlich ist es egal, ob Sie hier einmalige oder wiederkehrende Beiträge erheben. Nur eines steht fest: Sie sind in Rheinland-Pfalz auf jeden Fall verpflichtet, Beiträge einzufordern.“ Grundsätzlich halte er den WKB aber für eine gute Sache, der im Land mittlerweile von etwa 45 Prozent der Städte und Gemeinden erhoben werde. Man könne sagen, das sei viel. Man könne aber auch argumentieren, dass 33 Jahre nach Einführung des WKB immer noch mehr als die Hälfte der Kommunen Einmalbeiträge erheben.

„Will eine Kommune den WKB einführen, muss sie eine Abrechnungseinheit bilden“, sagte Thielmann. Dies sei üblicherweise der zusammenliegende Ortskern. Im Falle von Niederzissen dürfe der rund 3 Kilometer entfernt liegende Ortsteil Rodder nicht eingeschlossen werden. Und auch nicht die jenseits der Autobahn gelegenen Gewerbegebiete „Scheid“ und „Brohltal-Ost“. „Die Lücken zwischen diesen Ortsteilen sind zu groß. Der Hauptort aber liegt zusammen. Deswegen ist Niederzissen auf den ersten Blick unproblematisch.“

In einem Abrechnungsgebiet werden laut Thielmann nur solche Verkehrsanlagen erfasst, die per Widmung öffentlich, zum Anbau bestimmt und endgültig hergestellt sind. Also keine Außenbereichsstraßen oder Wirtschaftswege und auch keine halbfertigen oder provisorischen Straßen. „Da steckt Brisanz drin. Also im Zweifel nochmal widmen“, mahnte Thielmann die anwesenden Ratsmitglieder und Verwaltungsvertreter.

Bild: Gut 100 Zuhörer verfolgten in der Niederzissener Bausenberghalle die Ausführungen von Rechtsanwalt Gerd Thielmann zum wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag.

Doch ob WKB oder Einmalbeitrag – die Gemeinde ist beim Straßenbau auch zahlungspflichtig. „Der Anteil muss dem Verkehrsaufkommen entsprechen, das nicht den Beitragsschuldnern zuzurechnen ist“, heißt es dazu im Kommunalabgabengesetz (KAG). Bei ganz überwiegendem Anliegerverkehr beschränkt sich der Gemeindeanteil auf 25 Prozent der Ausbaukosten und steigt bis auf 75 Prozent bei ganz überwiegendem Durchgangs-, aber nur wenig Anliegerverkehr.

Was ist aber ist im Falle der Einführung des WKB mit denen, die erst kürzlich für den Ausbau ihrer Straße einen Einmalbeitrag gezahlt haben? Dazu gibt es die „Verschonungsregelung“. Denn nach dem KAG können Grundstücke „für einen Zeitraum von höchstens 20 Jahren seit der Entstehung des Beitragsanspruchs bei der Ermittlung des WKB nicht berücksichtigt und auch nicht beitragspflichtig werden.“ Die Zulässigkeitsgrenze liegt hier bei 50 Prozent. Wenn also mehr als die Hälfte der Grundstücke zu verschonen ist, kann der WKB nicht eingeführt werden.

Am Schluss seiner Ausführungen gab Thielmann den Niederzissener Entscheidungsträgern einen Ratschlag mit auf den Weg: „Es gibt Gemeinden, die lassen die Bevölkerung über die Einführung des WKB abstimmen. Macht das nicht!“ Denn bei den Bürgern gebe es verständlicherweise interessengeleitete Überlegungen und Diskussionen. Deshalb müsse der Rat entscheiden.

Ortsbürgermeister Rolf Hans will die Angelegenheit jetzt nicht mehr auf die lange Bank schieben: „Am 6. Januar tagt der Haupt- und Finanzausschuss. Danach geht das Thema in den Gemeinderat. Ich will eine baldige Entscheidung, ob so oder so“, sagte der Gemeindechef nach der Info-Veranstaltung.


Foto:  ©Hans-Willi Kempenich
Text:  ©Hans-Willi Kempenich